\documentclass[draft,12pt,a4paper,german]{article} \usepackage[german]{babel} %Updated to Latex2e by James Kifiger. \newcommand{\MF}{Metafont} \title{Die humanistische Kursive von Arrighis Operina bis \MF{} -- ein typographischer Versuch} \author{Willibald Kraml} \usepackage[T1]{fontenc} \begin{document}\tolerance 300 \maketitle \section{Die kursive Kanzleischrift im humanistischen Italien} Im 15. und 16. Jahrhundert waren in Italien vor allem zwei Handschriftenformen im Gebrauch: die humanistische Minuskelschrift oder Antiqua, eine eher statisch und klassisch wirkende Schrift, die letztlich auf die karolingische Minuskel zur"uckgeht, aber von den Humanisten \glqq irrt"umlich\grqq f"ur eine schon in der Antike vorhandene (und darum auch besonders gesch"atzte) Schrift gehalten wurde (und eben darum auch \glqq Antiqua\grqq genannt wurde). Sie wurde vor allem f"ur sch"on ausgearbeitete Manuskripte verwendet. Die zweite "ubliche Schrift war dynamischer, rascher zu schreiben und dementsprechend die \glqq Alltagsschrift\grqq der gelehrten Schichten (und nur die konnten "uberhaupt lesen und schreiben). Sie war unter dem Namen \glqq Cancellaresca\grqq oder \glqq Cancellaresca bastarda\grqq , also \glqq Kanzleischrift\grqq bekannt. Auch \glqq Cancellaresca corsiva\grqq war ein g"angiger Ausdruck, der sich auf die M"oglichkeit bezog, diese Schrift sehr fl"ussig schreiben zu k"onnen. In der ersten H"alfte des 16. Jh. erschienen einige sogenannte \glqq Schreibmeisterb"ucher\grqq , in denen die korrekte Art gelehrt wird, diese Kanzleischrift zu schreiben (was mit der korrekten Art, die Feder zu schneiden und beim Schreiben zu halten, beginnt). Das erste (und im Titel des Vortrags schon genannte) ist das Werk \glqq .......\grqq des Ludovico degli Arrighi, der auch Ludovico de Henriciis (?) oder (nach seiner Herkunft) Vicentino genannt wird. Er war von Beruf Schreiber und Kalligraph in den Kanzleien des Vatikan. Sein Buch wurde nach seiner handgeschriebenen Vorlage Seite f"ur Seite in Holz geschnitten und so gedruckt (nach der Methode der \glqq Blockb"ucher\grqq , die schon vor Gutenbergs Erfindung in Gebrauch waren). Dadurch ging nat"urlich ein wesentlicher Teil der Qualit"at der Handschrift verloren. Ein Hauptkonkurrent Vicentinos war Giovambattista Palatino, der sein Werk \glqq ........\grqq nur kurze Zeit sp"ater zur Publikation brachte. Sein Name ist den typographisch Interessierten nat"urlich von der gleichnamigen Schrift Hermann Zapfs bekannt. Diese Schriftformen blieben beinahe ohne Ver"anderungen "uber etwa 200 Jahre in Gebrauch, und zwar nicht nur in Italien, sondern im Lauf der Zeit in fast ganz Europa. So gibt es entsprechende Lehrb"ucher bzw. Abhandlungen "uber diese Schrift auch von Erasmus, ..... \section{Das Formeninventar der humanistischen\\Kursiven} Das Inventar der meisten kursiven Minuskeln l"a"st sich auf ganz wenige Grundformen zur"uckf"uhren, die z.B. in den Buchstaben f, o und n prototypisch vorhanden sind. Aus der Grundform des f (und der Langform des s) sind auch die Ober- und Unterl"angen gebildet. Diese Einheitlichkeit der Formen, verbunden mit einer ziemlich starren Federhaltung und gleichm"a"sigem Federdruck f"uhrt zu einer "asthetisch durchaus anspruchsvollen, fast \glqq kalligraphisch\grqq zu nennenden Schrift. Der daraus resultierende Nachteil ist die nur mittelm"a"sig gute Lesbarkeit, die sich aus dem Mangel an differenzierten Formen ergibt (gerade in der Zone der Oberl"angen und der oberen H"alfte der Mittell"angen, die nach modernen Erkenntnissen f"ur die Lesbarkeit besonders wichtig sind). Auch die H"aufung der \glqq r"uckw"arts\grqq gewandten Unterl"angen ist zwar reizvoll, vermindert aber eher das erzielbare Lesetempo (anders steht es nat"urlich um das Schreibtempo: die Formen der Kursive lassen sich ganz besonders rasch schreiben, vor allem im Vergleich zur Antiqua, die h"aufigeres Absetzen und auch zahlreicheres Verdrehen der Federstellung bzw. Druckwechsel verlangt). Auff"allig ist, da"s die Schr"aglage anf"anglich nicht sehr ausgepr"agt oder auch gar nicht vorhanden war. Sie war eher eine mehr oder minder zuf"allig hinzukommende Eigenschaft, die sich aus dem raschen und fl"ussigen Schreiben ergab, die aber nicht als wesentlich angesehen wurde. Nun zu einigen Buchstaben (Minuskeln) im Detail: \begin{itemize} \item[a] Das a hat eine deutlich andere Form als bei der Antiqua -- es besteht sozusagen aus den Grundformen des o und des i, wobei allerdings die Rundung des o in "alterer Zeit stets in eine ann"ahernde Dreiecksform aufgel"ost ist. \item[g] Das g kommt in zwei Varianten vor, einer vom a abgeleiteten mit einer weit ausladenden unteren Schleife, und in der Variante, die in der Antiqua die gew"ohnliche Form darstellt. Diese Form ist vor allem bei Ludivico sehr beliebt und weist bei ihm eine spezielle Eigenart auf: es fehlt das sonst gew"ohnlich vorhandenen \glqq Ohr\grqq . \item[h] Das h ist in der handgeschriebenen Kursive immer sehr formverwandt mit dem b, und auch in den Schreibmeisterb"uchern wird dieser Umstand betont: das h ist ein unten offenes b. \item[k] Das k weist immer eine Schlaufe auf. \item[s] Das s begegnet uns in zwei Formen: dam kurzen oder runden s und dem langen s (das wie das f, aber ohne Querstrich geschrieben wird). Wichtig (heute nur mehr f"ur die Deutschsprachigen) ist die ss-Ligatur, die entweder in Form von zwei langen s, oder aber h"aufiger in der Kombination aus langem und kurzem s vorkommt, eine Ligatur, die im Deutschen noch als scharfes s fortlebt, leider aber oft f"alschlicherweise als \glqq sz\grqq bezeichnet wird, eine Zeichenfolge, die es im Deutschen sprachhistorisch nie gegeben hat. Die ss-Ligatur (ebenso wie die Langform des s) war "ubrigens auch in der Antiqua zuhause und in praktisch allen Sprachen, die das Lateinalphabet verwenden, bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein in Gebrauch. Der deutsche \glqq Alleinanspruch\grqq auf das "s ist also noch nicht sehr alt! Aus dem Gesagten ergibt sich nat"urlich auch, da"s etwa der Usus der Schweizer, bei gewissen Schrifttypen (z.B. in Schreibmaschinenschriften) kein "s, sondern ein ss zu schreiben, eigentlich durchaus rechtens ist und konsequent, da in diesen Schriften auch sonst keine Ligaturen verwendet werden. \end{itemize} Neben der ss-Ligatur kommen auch eine ganze Reihe von anderen \textbf{Ligaturen} vor, von denen einige im Lauf der Zeit v"ollig untergegangen sind, andere sich nur teilweise erhalten haben (z.B. st, sp und so weiter). Die \textbf{Gro"sbuchstaben} (Majuskeln) stellen ein Problem f"ur sich dar: zum einen kommen sie in den nicht-deutschen Sprachen vergleichsweise selten vor und beschr"anken sich auf die Initialen von Namen oder von S"atzen bzw. Abschnitten. Gerade als Initialen legte man fr"uher gro"sen Wert auf ausgeschm"uckte Formen, auch wenn die f"ur sich genommen vielleicht kaum mehr lesbar sind. Die Majuskeln sind sowohl in der Antiqua als auch in der Cancellaresca ein eigentlich fremdes Element, da sie direkt auf die Formen der lateinischen Antike zur"uckgehen, w"ahrende die Minuskeln das Ergebnis einer mehrhundertj"ahrigen kontinuierlichen Entwicklung sind. Bei der Antiqua ist dies nicht so auff"allig, weil sie sich in ihrer Entwicklung aus den karolingischen Minuskeln wieder hin zu mehr Statik ge"andert hat und damit gut zu den ebenfalls statischen Formen der Kapitalis pa"st. Im Humanismus wurden dann noch die Serifen bei den Minuskeln in der Art der Serifen der Kapitalis eingef"uhrt, wodurch ein starkes gemeinsames Formelement vorhanden war. In der kursiven Kanzleischrift verwendete man zun"achst im Textinneren ebenfalls die gew"ohnlichen Kapitalisbuchstaben als Gro"sbuchstaben, obwohl sie dort vielmehr den Charakter eines Fremdk"orpers haben. F"ur die Initialen am Textanfang begann man mit sehr kunstvollen, ja geradezu manierierten Formen zu experimentieren, die dann teilweise (in ihren etwas einfacheren Formen) auch im Textinneren Verwendung fanden. Die Anf"ange der kursiven Gro"sbuchstaben wirken auf unser Auge mit wenigen Ausnahmen nur grotesk und unproportioniert. Man vergleiche das Blatt der kursiven Majuskeln im Lehrbuch des Palatino mit seinem Schriftkunstwerk, das aus lateinischen Kapitalisbuchstaben besteht, und man wird verstehen, was ich meine. \section{Die Kursive als Drucktype} Schon bald begann man, die Kursive auch als Vorlage f"ur Drucktypen zu verwenden, hatte aber dabei mit einem technischen Problem zu k"ampfen, n"amlich den "Uberh"angen der Ober- und Unterl"angen. Zum ersten Mal begegnet uns eine kursive Drucktype in einem bei Aldus Manutius gedruckten Buch im Jahre 1501, sie stammt von Francesco Griffo. Er zieht sich aus der Aff"are, indem er die Ober- und Unterl"angen der Antiqua ann"ahert und mit Serifen versieht, nur f und s behalten ihre geschwungene Form (wobei sie bei den Unterl"angen etwas \glqq gestutzt\grqq wird). Griffo verwendet nur f"ur die Minuskeln kursive Formen, und zwar in leichter Schr"aglage, als Gro"sbuchstaben werden normale (geradestehende) Kapitalisbuchstaben (die Gro"sbuchstaben der Antiqua) verwendet. Durch die Ann"aherung an das Formeninventar erreicht Griffo, da"s die "Uberh"ange nicht mehr allzu h"aufig sind; was er (wahrscheinlich wohl unbewu"st) auch erreicht, ist eine besserer Lesbarkeit durch gr"o"sere Differenzierung in den Ober- und Unterl"angen. Wichtig ist die Verwendung dieser neuen Drucktype: Sie wird als eigenst"andige Buchschrift verwendet und nicht etwa als Auszeichnungsschrift in Erg"anzung zur Antiqua, wie dies heutzutage f"ur gew"ohnlich der Fall ist. Die Verwendung zur Auszeichnung kommt erst einige Zeit sp"ater in Gebrauch, wobei sich die Kursive als selbst"andige Buchschrift durchaus noch einige Zeit halten konnte. Die Tendenz der immer gr"o"seren Ann"aherung der Kursiven an das Formeninventar der Antiqua ist auch in den folgenden Jahrhunderten zu beobachten und steht nat"urlich mit der neuen Funktion der Auszeichnungsschrift in Zusammenhang. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wird dem Wiener Buchdrucker Johann Singriener zugeschrieben, der 1524 zum ersten Mal schr"agstehnde Kapitalisbuchstaben verwendet. Aber noch um 1550 werden in Frankreich kursive Schriften mit geradestehenden Gro"sbuchstaben verwendet. Und lange Zeit sp"ater noch werden dann die Gro"sbuchstaben zwar schr"aggestellt, allerdings weniger schr"ag als die korrespondierenden Minuskeln. Der Endpunkt dieser Entwicklung findet sich in unserem Jahrhundert in der \glqq schr"aggestellten Antiqua\grqq (vgl. Knuths \emph{Computer Modern Slanted}, bei der ausschlie"slich nur mehr die Antiquaformen vorkommen, allerdings in Schr"aglage, womit auch das urspr"unglich nur akzidentelle Merkmal zum dominierenden, ja zum alleinigen Merkmal wurde. Das gleiche finden wir bei den schr"agen Formen zu den serifenlosen Schriften. So kommt es, da"s heute die meisten Leute \emph{kursiv} als gleichbedeutend mit \emph{schr"ag} sehen. Die n"achsten bedeutenden Versuche nach Griffo, die kursive Schreibschrift auch als Druckschrift einzusetzen, finden wir bei dem uns schon bekannten Ludovico Vicentino. Zwei oder drei Drucktypen wurden von ihm entworfen und von dem ber"uhmten Drucker Blado verwendet, wobei er sich bei seiner ersten Drucktype bem"uht, den urspr"unglichen Duktus der geschriebenen Schrift m"oglichst getreu beizubehalten. Sp"ater folgt er (wohl auch prim"ar aus technischen Gr"unden) dem Beispiel Griffos und n"ahert seine Formen der Antiqua an. Die Schriftschnitte Vicentinos wurden in unserem Jahrhundert wieder neu entdeckt und sch"atzen gelernt, was hervorragenden Pers"onlichkeiten wie dem englischen Kalligraphen Edward Johnston und dem Typographen Stanley Morison, dem Designer der heutzutage ja schon notorischen \emph{New Times Roman}, oder dem Drucker Hans Mardersteig zu verdanken ist. Die Lanston Monotype Corporation, deren typographischer Leiter Stanley Morison war, hat sich dabei besondere Verdienste erworben -- dieselbe Lanston Monotype Corporation, die heuer aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu existieren aufgeh"ort hat. \section{Die Renaissance der \glqq Chancery\grqq } Die Wiederentdeckung der alten Kursiven Arrighis war auch der Anfang einer bescheidenen Renaissance der Kursiven als Buchschrift. Die englische Rilke-Ausgabe der Weimarer \emph{Cranach Press} wurde in dieser Type gesetzt, aber auch andere literarische Werke erschienen wieder in Kursiv, so z.B. Thomas Manns \emph{Der Tod in Venedig}. In unserem Jahrhundert fand man dann noch eine weitere Verwendungsm"oglichkeit f"ur die Schriftformen der humanistischen Kanzleischrift: Mit Schnitten wie Zapfs \emph{Chancery} oder Zapfs {\em Medici} begann die Renaissance der Kursiven als Zierschrift, f"ur die man lange Zeit haupts"achlich die englische Schreibschrift (einen sehr sp"aten Nachfahren der humanistischen Kursive) eingesetzt hatte. Die Verwendung der typischen gebogenen Oberl"angen in sehr ausgepr"agter Form gibt diesen Schriften einen sehr kalligraphischen Effekt, allerdings auf Kosten der Lesbarkeit, so da"s diese Schriften als Buchschriften nur bedingt geeignet sind. Ideale Kompromisse, die den Geist der alten Kursive deutlich sichtbar machen und doch vorwiegend als Buchschrift konzipiert sind, sind in meinen Augen Zapfs \emph{Palatino Kursiv} und Matthew Carters \emph{Galliard Italic}. \section{raggedright Die humanistische Kursive und \MF{}} Das Zeitalter des Computers auch in der Typographie wurde eigentlich schon mit Matthew Carters Schrift angesprochen: er zeichnete seine Vorlagen, scannte sie und bearbeitete sie am Computer mit dem Programm \emph{Ikarus} nach. Mit \MF{} wurde uns von Donald Knuth ein Hilfsmittel gegeben, direkt die Formen von Schrifttypen als Programm beschreiben zu k"onnen. Jeder, der sich daran versucht, mit \MF{} Zeichen zu gestalten, wird aber dabei sehr schnell merken, da"s dies kein ganz einfaches Unterfangen darstellt. Und f"ur den Anf"anger stellt sich das doppelte Problem, eine durchaus recht komplexe Programmiersprache lernen zu m"ussen f"ur die Verwendung in einer Sache, von der er als solcher meistens auch keine Ahnung hat, n"amlich der Formgebung von Buchstaben. Genau vor diesem Dilemma stand ich auch vor einem Jahr, als ich begann, mich mit \MF{} zu besch"aftigen. Bestehende Formen m"oglichst getreu mit \MF{} \glqq abbilden\grqq wollte ich nicht (obwohl so ein Vorgehen wahrscheinlich empfehlenswerter w"are). Und bei meiner Suche nach Schriftformen, die sich m"oglichst einfach mit \MF{} gestalten lie"sen (die Programme f"ur die einzelnen Zeichen sollten kurz und "uberschaubar bleiben, und mit m"oglichst wenig Sprachelementen auskommen), kam ich schlie"slich auf die Kursive. In \MF{} gibt es unter anderem die M"oglichkeit, definierte \glqq Federn\grqq fixer Gestalt entlang von Pfaden zu f"uhren und so geschriebene Formen nachzuahmen. Die Einschr"ankungen liegen darin, da"s diese konzeptuellen Federn w"ahrend eines Kurvenzuges von fixer Gestalt, Gr"o"se und Lage sein m"ussen. F"ur die Kursive ist dies kein allzu gro"ser Nachteil, da auch ihre handschriftlichen Vorbilder mit einer ziemlich starren Federhaltung und mit wenig Druckunterschieden (was zu unterschiedlichen Strichbreiten f"uhrt) geschrieben wurden. Diese Methode wurde auch bei den bei \TeX{} standardm"a"sig vorhandenen kalligraphischen Gro"sbuchstaben von Neenie Billawalla erfolgreich verwendet. Zwei Federformen sind in \MF{} schon vordefiniert: elliptische (mit dem Sonderfall der kreisf"ormigen) und rechteckige (bzw. quadratische). Beide sind f"ur die kursiven Schriftformen allerdings nur bedingt geeignet. Die elliptische Feder f"uhrt zwar zu sehr sch"onen, runden Kurven entlang der Au"senseite von Rundungen, aber An- und Abstriche (und die sind f"ur die humanistische Kursive sehr charakteristisch) wirken kraftlos und unelegant. Die rechteckige Feder wiederum bewirkt, da"s entlang der Au"senseite von Rundungen Kurventeile auftreten, die absolut gerade sind; durch die an diesen Stellen auf der Innenseite zwangsl"aufig auftretende Tendenz zu spitzen Formen wird der Eindruck noch verst"arkt, ja es kommt sogar zu einer optischen T"auschung, bei der man meint, da"s an dieser Stelle ein Knick nach innen vorhanden sei! Auch die "Uberg"ange bei den An- und Abstrichen sind nicht sch"on, es kommt zu Knicken und auch hier zu optischen T"auschungen, als w"are die Form des Federstrichs leicht konkav. Neben den vordefinierten Federformen gibt es auch die M"oglichkeit, selber neue Formen in Form von Polygonz"ugen zu definieren, wobei allerdings die Einschr"ankung zu beachten ist, da"s die Form allseitig konvex sein mu"s. Ich begann mit solchen Formen zu experimentieren und kam schlie"slich auf eine Form, die von der Grundform der rechteckigen Feder abgeleitet ist, bei der aber alle vier Seiten leicht konvexe Linienz"uge sind. Au"serdem ging ich nicht von einem Rechteck aus, sondern von einem Trapez, bei dem die Oberseite l"anger ist als die Unterseite. Damit konnte ich, wie ich glaube, die Nachteile der elliptischen bzw. der rechteckigen Federformen eliminieren: die Au"senseiten von Rundungen bleiben rund, und die An- und Abstriche ergeben harmonische, kontinuierlich an- bzw. abschwellende Formen mit dennoch markantem Abschlu"s. Die Formen der einzelnen Zeichen wurden ausschlie"slich am Computer erarbeitet, wobei die Lage von St"utzpunkten, bestimmte Winkellagen der Kurven oder in vielen F"allen die sog. \emph{tension} ad hoc festgelegt wurde, bis eine (mich) einigerma"sen befriedigende Form gefunden wurde. Dabei war ich nicht bem"uht, die "uberlieferten Formen in allen Details nachzuahmen, vielmehr war ich bestrebt, eine eigene, pers"onliche Schrift im Geiste der humanistischen Kursive zu gestalten. Ich entschlo"s mich, da"s diese Schrift den Namen \emph{Vicentino Corsiva} tragen sollte, als Verbeugung vor dem gro"sen Schriftk"unstler Ludovico Vicentino. Ich ging bei meinen Experimenten von \emph{plain \MF{}} aus, also nicht von den Makros der Computer Modern Familie, da diese "uberwiegend dazu dienen, das Formeninventar klassizistischer Schriften in den Griff zu bekommen. Au"serdem wollte ich von einem eher minimalistischen Ansatz ausgehen um zu sehen, was dabei mit \MF{} m"oglich ist (und wo die Grenzen eines solchen Ansatzes liegen). Ich habe mit den so erarbeiteten Formen auch weiter experimentiert und versucht, ein gewisses Ma"s an \emph{Metaness} einzubauen; daraus entstanden zum einen auch halbfette Varianten, und auch zwei weitere \glqq Schnitte\grqq : mit einer fast kreisf"ormigen Feder geschrieben und unter fast g"anzlicher Weglassung der An- und Abstriche wirkt die \emph{Vicentino Modern} wie mit dem Filzstift geschrieben und wesentlich neuzeitlicher; dazu tragen auch gewisse Varianten in den Formen (etwa bei g und k) bei, die aber immer von der \glqq klassischen\grqq Form abgeleitet sind. Als "au"serst experimentelle Form ist die \emph{Vicentino Twist} anzusehen, bei der eine elliptische Feder in Linksdrehung verwendet wird, um leicht nach links geneigte Zeichen zu schreiben, die aus den Grundformen der \emph{Vicentino Modern} bestehen. Das Resultat ist eine durch ihr flimmerndes Schriftbild sehr auff"allige (und schlecht lesbare und darum f"ur l"angeren Text absolut ungeeignete) Schrift. Ein Problem ist auch die Codierung der Zeichen; es ist kaum sinnvoll, die Standardeinteilung von \TeX{} zu verwenden (weil etwa die griechischen Zeichen darin eigentlich nichts zu suchen haben), au"serdem sind in diesem Zusammenhang ja derzeit \glqq Umbauarbeiten\grqq auf einen 8-bit Zeichensatz im Gange. Au"serdem entschlo"s ich mich, bei den Ligaturen nicht den CM-Fonts zu folgen: die Entscheidung, welche Ligaturen vorhanden sein sollen, h"angt ganz entschieden von der Schriftform und nat"urlich auch von der Sprache ab, f"ur die man eine Schrift gestaltet. So verzichtete ich z.B. auf die Ligaturen \emph{fl}, \emph{ffi} und \emph{ffl}, hielt aber eine Ligatur \emph{ch} gerade f"ur die deutsche Sprache f"ur sinnvoll. Au"serdem war es mir ein Bed"urfnis, wie bei den alten Kursivschriften "ublich auch alternative Zeichenformen vorzusehen (eigene Formen f"ur den An- oder Auslaut, die Variante des \emph{g}, die alten Ligaturen \emph{ct}, \emph{st} und \emph{sp}, majuskelgro"se Ziffern usw.). Derzeit sind die entstandenen Zeichens"atze ein etwas unsch"oner Kompromi"s: sie folgen im wesentlichen den alten \TeX-Konventionen, lassen allerdings einige L"ucken (manche davon ungerechtfertigt) und besetzen eine Position anders (um die ch-Ligatur unterzubringen). Die alternativen Zeichen sind in einem zweiten Font untergebracht. Dies ist als Provisorium anzusehen: es ist unbedingt notwendig, f"ur die Umlaute und auch f"ur die deutschen Anf"uhrungszeichen eigene Zeichen vorzusehen. In der \glqq endg"ultigen\grqq Version sollen daher die Zeichen in ihrer Anordnung weitgehend den neuen DC-Fonts entsprechen. Obwohl die Schrift also nicht eigentlich als \glqq fertig\grqq bezeichnet werden kann, m"ochte ich sie dennoch allen Interessierten zur Verf"ugung stellen und bin f"ur Kritik und Anregungen nat"urlich dankbar. \section{Literatur (in Auswahl)} \begin{itemize} \item -- Scribes and Sources \item Alexander Lawson, Anatomy of a Typeface, London 1990. \item James Moran, Stanley Morison -- His typographic achievement, London 1971. \item Jan Tschichold, Meisterbuch der Schrift, Ravensburg 1965. \item Emil Wetzig, Kursiv als Buchschrift, in: Gutenberg-Jahrbuch 1962, S. 39--43. \end{itemize} \end{document}